Zhivitsa

Die Seele der Slawen

Am 30 April ist der Feiertag um Gedenken unserer Ahnen, unserer Familienmitglieder, die nicht mehr unter uns weilen.

Dieser Tag trägt viele Namen: Radonitza (Радoница), Wesennije Dedi (Frühling der Großeltern), Weschnije Dedi, Roditelskoe (Elterntag). Ich kenne dieser Tag von seiner christlichen Seite. Ich erinnere mich noch an meiner Kindheit in Russland.

Ich weiß noch, dass es immer ein Feiertag war, es war immer ein schönes Wetter, alle hatten frei, es gab spezielle Busse für diejenigen, die zum Friedhof fahren wollten, um ihre Liebsten zu besuchen. Auf Friedhof saßen die Leute auf Bänken, am kleinen Tisch (auf den Friedhöfen steht oft neben dem Grabmal – meistens ein großes Kreuz- eine kleine Bank und ein Tisch) aßen etwas, tranken (meistens Wodka), sangen Lieder, legten Süßigkeiten und die bemalten Eier neben dem Kreuz aufs Grab. Es war natürlich traurig, doch irgendwie hell, warm und gesellig, wie ein großes Wiedersehen, ein Familientreffen.

So feierten auch die Slawen und Ruß Leute diese Tage, warteten auf ein Wiedersehen mit den Liebsten.

Die Grenze an diesem Tag st zwischen Diesseits und Jenseits (genau wie am 31 Oktober – Feier zum Gedenken der Ahnen, Osennije Dedi) ist sehr dünn, die Tore zur anderen Welt öffnen sich und wir heißen unsere Ahnen willkommen.

Man sagt, die Seelen unserer Vorfahren kommen im Frühjahr als Vögel zurück. Maxim Sukharev, Maler von slawischen Motiven, Forscher auf dem Gebiet Ethnographie und Neoheidentum aus dem russischen Norden, vermutet, dass die Seelen „in ihrer Zeit Verstorbenen“ Menschen (also, die Alten, die einer natürlichen Tod gestorben sind) kommen als Vögel, doch die Jungen Menschen, die ihr Potential nicht verbrauchen konnten, kommen als Blumen und Pflanzen im Frühling wieder.

Das ist natürlich eine Hypothese, aber die Idee gefällt mir sehr gut. Ich mag es zu denken, dass der Spatz, der auf meinem Balkon sitzt, mein Vater sein könnte.

Am Tag der Radonitza bereiten wir die Lieblingsgerichte unserer Vorfahren zu, falls wir es noch wissen, was sie gerne gegessen haben. Wenn nicht, werden die Fladen, Brei, Bier oder Milch, Brot und Obst immer als Opfergabe für die Götter und auch als Speisen für die Ahnen immer gern gesehen.

Wir erinnern uns an unseren fortgegangenen Familienmitglieder, erzählen die Geschichten, die wir mit ihnen verbinden, organisieren einen kleinen Ahnen Alter mit Gegenständen und Fotos unserer Liebsten und zünden eine Kerze an. Wir gehen zum Friedhof, nehmen auch ein Paar „Geschenke“ mit, wie bemalene Eier, Pralinen, Zigaretten, und wir machen Ordnung neben- und um das Grab herum.

Wie die Götter, stehen auch unsere Vorfahren immer an unserer Seite. Früher gab es keine Friedhöfe, die Verstorbenen wurden im Hof neben dem Haus begraben, um uns immer daran zu erinnern, dass sie immer bei uns sind und immer Teil unseres Lebens und unserer Sippe sind.

Sowie zu den Göttern, rufen wir auch unseren Vorfahren an, bitten um Schutz und Segen, Hilfe und Beistand.

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